Stefan Hemmerle. Ring, 2007. Weissgold, z.T. schwarz brüniert; Spinell (Himbeerrot), oval, facettiert. Die Neue Sammlung – The Design Museum. Sammlung Christof und Ursula Engelhorn

Stefan Hemmerle. Ring, 2007. Diamanten, Horse-Conch-Perlen, Roségold, Kupfer. Die Neue Sammlung – The Design Museum. Sammlung Christof und Ursula Engelhorn

Stefan Hemmerle. Brosche, 2007. Rosé- und Weißgold; Eisen, geschwärzt; Spinel (Pink-Rot), Smaragdschliff, Conch-Perle (helles Pink), oval. Die Neue Sammlung – The Design Museum. Sammlung Christof und Ursula Engelhorn

Stefan Hemmerle. Brosche „Mondrian“, 2006. Weiss- und Rotgold, Diamant-Baguette (Orange-Braun), Diamant-Baguette. Die Neue Sammlung – The Design Museum. Sammlung Christof und Ursula Engelhorn

Stefan Hemmerle. Brosche, 1990. Platin; Diamant, rautenförmig (Losenge), Treppenschliff.
Die Neue Sammlung – The Design Museum. Sammlung Christof und Ursula Engelhorn

Eine großartige Trias: Die Schmucksammlung Christof und Ursula Engelhorn, Kleinodien von Stefan Hemmerle und Die Neue Sammlung – The Design Museum

Die Neue Sammlung, das Designmuseum in der Pinakothek der Moderne, übernahm 2018 mit Hilfe der Museumsstiftung zur Förderung der Staatlichen Bayerischen Museen als Vermächtnis die Schmucksammlung von Christof und Ursula Engelhorn. Darunter Arbeiten des Münchner Designers und Goldschmieds Stefan Hemmerle.

Wenig Privates ist über Christof Engelhorn bekannt, den Sammler, Autodidakten, umtriebigen Freigeist und Mäzen. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Ursula agierte er lieber im Stillen. Etwas kokettierend sagte Engelhorn 2007 anläßlich einer Feierstunde der Hochschule Luzern über sich selbst: „Seit letztem Jahr über 80, Laie, unstudiert, über 60 Jahre mit Ursula verheiratet, kunstinteressiert und 12 Jahre Führen einer Galerie in München“.
Über einen Zeitraum von 37 Jahren war München der Hotspot für die Aktivitäten des Ehepaars Engelhorn. Ihn zählte man 1965 zu den Gründern des Münchner Galerie-Vereins (heute PIN), und schon 1967 zu seinen Vorstandsmitgliedern. Weniger in unser aller Gedächtnis verankert ist die Initiierung der Engelhorn-Stiftung zur Pflege und Förderung der Kunst GmbH im Jahr 1968. Ein Beirat, bestehend aus dem Kunsthistoriker und Konservator an der Neuen Pinakothek Siegfried Wichmann (1921–2015), dem Künstler Karl Heinz Dallinger (1907–1997) und dem Architekten, Raumplaner und Entwerfer Paolo Nestler (1920–2010), unterstützte Engelhorn in seiner Arbeit. Dass Wichmann anläßlich der Olympischen Spiele 1972 verantwortlich zeichnete für die Ausstellung „Weltkulturen und moderne Kunst: die Begegnung der europäischen Kunst und Musik im 19. und 20. Jahrhundert mit Asien, Afrika, Ozeanien, Afro- und Indo-Amerika“ im Haus der Kunst und Nestler von 1973–1975 Berater der Design-Abteilung von AUDI-NSU in Ingolstadt war und u.a. die Farbpalette des Audi 100 C2 prägte, scheint nicht nur angesichts bevorstehender Jubiläen bemerkenswert.

In den ersten sieben Jahren organisierte die Stiftung des Ehepaars Engelhorn 53 (Kunst-)Aktionen. Dazu zählt die viel zitierte Unterstützung beim spektakulären Ankauf des Tryptichons Cruxifixion von Francis Bacon in Zusammenarbeit mit dem Galerie-Verein für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.
Aber wer erinnert schon die Herausgabe der ersten Auflage von Ernst Bürdeks „Designmethodologie“ durch die Stiftung im Jahr 1970 oder fünf Jahre später die Zuschussfinanzierung, die die Stiftung zu einem Abenteuer-Spielplatz gab im gerade entstehenden Entlastungsstadtteil Neuperlach im Südosten von München mit seinen 23.000 Neubau-Wohnungen?
Neuperlach, vor den Toren Münchens auf den aufgelassenen Äckern des Dorfes Perlach nach den Prinzipien der „Charta von Athen“ am Reißbrett entstanden, war für kurze Zeit das Down-Under Münchens. Hier realisierte der amerikanische Land-Art Künstler Michael Heizer im Angesicht mehrgeschossiger Wohnsilos im Mai 1969 für die Galerie Heiner Friedrich seine erste landschaftsbezogene und mittlerweile legendär gewordene Arbeit „Munich Depression“. Dagegen nur noch wenigen in Erinnerung: die Eröffnung eines Kunstzentrums in Neuperlach-Nord, präziser gesagt im Nahversorgungszentrum an der Albert-Schweitzer-Straße. Damals wie heute ein unwirklicher Ort. Hier öffnete das „Kunstzentrum München Neuperlach, Albert-Scheitzer-Str. No. 66“ im Erdgeschoß eines mehrgeschossigen, gewaltigen, vier Hausnummern einnehmenden Gebäudekomplexes seine Türen. Laut definitionem ein Ort, an dem, wie es der spiritus rector Engelhorn beschrieb, „… zur Aufgabe gestellt war, eine Methode zu finden, mit der man der Bevölkerung in der näheren, kulturangebotslosen Umgebung Kunst hautnah bring[en]“ sollte.
Neben der ersten öffentlichkeitswirksamen Aktion: „Picasso anmalen“ (1975) fanden von 1975 bis 1983 im Kunstzentrum No. 66 bemerkenswerte Ausstellungen statt, die es schwer gehabt hätten in Münchens City: zur noch jungen kinetischen Kunst, zu Asger Jorn, Joseph Beuys, Walter Pichler oder zu Frank Stella, Jasper Johns und Franz West.
Der Freigeist Engelhorn überließ dabei nicht nur der „Hohen Kunst“ die Neuperlacher Bühne. 1977 wurden „Arbeiten aus der Goldschmiedeklasse der Akademie der Bildenden Künste München“ gezeigt. Vorausgegangen waren Besuche in der Schmuckklasse der Akademie sowie in Jüngers privaten Umfeld. Die jungen Schmuckkünstler und -innen zeigten Schmuckobjekte aus Silber und Gold in damals wie heute kühnen Kombinationen mit Stahl, Eisen und Vogelfedern. Von den Schmuckkünstler selbst gemachte Fotos statt hochwertiger Atelierfotografie visualisierten Schmuckobjekte in ihrer andersartigen Anwendung, den menschlichen Körper wie ein abstraktes Bildwerk zu interpretieren. Das Vorwort von Hermann Jünger im Katalog noch heute ein lesenswertes Believe-In zum Autorenschmuck. An dieser Stelle schreiben zu können, dass Engelhorn privat eine Arbeit erwarb, bleibt unerfülltes Wunschdenken – wir wissen es de facto nicht.

Zwei Decenien später sind es Arbeiten des Münchner Designers und Goldschmieds Stefan Hemmerle, die Engelhorns Interesse wecken, wie wir dank der Übernahme der Engelhorn’schen Schmucksammlung durch Die Neue Sammlung wissen. Eine Idee, an der Stefan Hemmerle großen Anteil hat. Er war es, der den Kontakt des Museums mit dem Sammler bereits 2004 herstellte und die ersten gemeinsamen Gespräche ermöglichte wie auch begleitete.

Seit 1893 existiert das Familienunternehmen Hemmerle in der Maximilianstraße – die Historie ist an der noch erhaltenen gußeisernen Fensterfront mit den Goldlettern auf charmante Weise ablesbar. Gut 100 Jahre später, 1995, übernahmen Stefan und Sylveli Hemmerle die Leitung des Geschäfts. Da hatte sich Stefan Hemmerle, wie er es ausdrückt, bereits „auf Neuland“ gewagt, „mit immer neuen Materialien und Materialkombinationen in Verbindung mit hochkarätigen Juwelen.“ Die Materialien erinnern an die im Perlacher Kunstzentrum No. 66 gezeigten studentischen Arbeiten der 1970er-Jahre – Holz, Kupfer, Aluminium, Eisen oder Edelstahl – nur mit einem entscheidenden Unterschied: Stefan Hemmerles „gestalterisches Interesse zielt auf das Sichtbarmachen kostbarer Steine und Perlen in ihrer unvergleichlichen Kraft, skulpturalen Ausstrahlung und exzeptionellen Farbigkeit“ – wie es Florian Hufnagl in seiner Eröffnungsrede 2006 zur Ausstellung in der Pinakothek der Moderne „Jewels Today seen by Stefan Hemmerle“ formulierte.
So mag es auch nicht groß wundern, dass es 1990 eine große einzigartige Diamant-Lozenge im Treppenschliff war, mit der Stefan Hemmerle die Neugierde Christof Engelhorns an kostbaren Steinen wecken konnte. Im Dialog mit Christof und Ursula Engelhorn arbeitete Stefan Hemmerle den Diamanten als große Stern-Brosche in Platin.
Nach der Jahrtausendwende kommen Arbeiten hinzu wie die Mondrian-Brosche mit ihren beiden fein harmonisierenden braunen und weissen Diamanten von 2006 oder die ein Jahr später entstandene Brosche mit einem pink-rotem Spinell und einer sich in zartem Rosa behauptenden Conch-Perle. Beide Werke künden von Stefan Hemmerles Idee von Kunst und von seinem Umgang in der Natur entstandener Schönheiten. Sie macht er zu seinen Hauptakteuren.
Wie bei einem Gemälde die Rahmung so hat die Fassung bei Stefan Hemmerle – sei sie aus Eisen, Aluminium oder edelstem Holz – eine dienende Aufgabe, die einzig und allein der Inszenierung des kostbaren Naturkleinods dient wie bei dem himbeerfarbenen großen Spinell. Das für Fassung und Ringschiene verarbeitete Weissgold, das so gern mit dem Licht spielt und es in Lichtblitzen an den Betrachter zurückwirft um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, bändigt Stefan Hemmerle, indem er es schwarz brüniert. Was für ein Understatement, dass zugleich die atemberaubende und einmalige Farbigkeit des Steins in ihrer ganzen Kraft und ohne Einschränkung zur Wirkung kommen läßt. Oder, um noch einmal Florian Hufnagl zu Wort kommen zu lassen, die Arbeiten von Stefan Hemmerle sind gekennzeichnet von „höchstem handwerklichen Raffinement“, das „vordergründiges Zurschaustellen von Virtuosität verweigert“. Seine Arbeiten stehen für eine „radikale Reduktion der Form“ und „Understatement pur“, was die „funkelnde Pracht edler Steine“ erst richtig erstrahlen läßt.

Die Sammlung Engelhorn birgt insgesamt fünfzehn Arbeiten aus der Hand von Stefan Hemmerle. Initiiert von Christian Hemmerle, sind jetzt einigefünf dieser Kostbarkeiten auf der Munich Highlights 2021 zu sehen.
Anlass genug, an dieser Stelle dem Sammlerehepaar posthum, Stefan Hemmerle und der Museumsstiftung dafür zu danken, dass die Sammlung Engelhorn nun in der Neuen Sammlung beheimatet ist.

Besonderer Dank gilt an dieser Stelle Herrn Maximilian Ring und der Museumsstiftung zur Förderung der staatlichen bayerischen Museen, die die endgültige Übernahme der Schmucksammlung Christof und Ursula Engelhorn möglich machten.

HGKL: Diplomfeier 2007 – Christof Engelhorn.
Picasso anmalen. Eine Aktion der Engelhorn-Stiftung zur Pflege und Förderung der Kunst, Grünwald 1975, S. 62.
Christof Engelhorn,  Alle wollen dasselbe Bild. Neufassung des Vortrags in der Pinakothek der Moderne, Juli 2003, Meggen/Luzern 2005, S. 21.
Gespräch mit Therese Hilbert am 21. April 2021, Gespräch mit Gerd Rothmann am 5. Mai 2021.
Arbeiten aus der Goldschmiedeklasse der Akademie der Bildenden Künste München. Eine Ausstellung der Akademie der Bildenden Künste München mit der Engelhorn-Stiftung zur Pflege und Förderung der Kunst GmbH, Albert-Schweitzer-Str. 66, München-Neuperlach, vom 7. Juni bis 3. Juli 1977.
Ausst.-Kat. Jewels Today seen by Stefan Hemmerle, München 2006, o.A.