„Noch nie ist Eleganteres und Besseres in der Konzeption, Exakteres in der Ausführung und Gebrauchstüchtigeres geschaffen worden.“ Diese bewundernde Anerkennung des Architekten Le Corbusier galt dem Bugholz-Stuhl als Urtyp des modernen Möbels.
Genau unter der großen Rotunde, im Zentrum der Pinakothek der Moderne liegt ein weiterer Sonderraum des Bereiches Design. Mit dem Beispiel Thonet (dargestellt an der von der Neuen Sammlung erworbenen Sammlung Ellenberg) werden hier die Wurzeln der Moderne, die Anfänge des Produktdesign zur Zeit der Industriellen Revolution vor Augen gestellt. Von der unteren Arena bis zu den oberen Rängen entfalten sich die Entwicklungen dieses ersten „Global Player“ und veranschaulichen die Epoche des Bugholzmöbels im Wechselspiel von Experiment, Massenproduktion und elitärer Sonderanfertigung seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Innovative Versuche internationaler Entwerfer mit gebogenem Schichtholz leiten auf dem obersten Stufenring zum Design von den 1930er Jahren bis zur Gegenwart über.
Erfunden hatte die Stühle aus gebogenem Holz Michael Thonet (1796-1871). Der aus dem rheinischen Boppard stammende, seit 1852 in Wien lebende Schreinermeister setzte bleibende Maßstäbe für die Formgebung des Maschinen- und Industriezeitalters.
Während seine Konkurrenten mit Hilfe von Drechsel- und Schnitzmaschinen historische Formen nachahmten, ging Thonet einen völlig neuen Weg. Er schuf sein fundamental modernes Formenrepertoire aus den von ihm selbst entwickelten neuen technologischen und produktionstechnischen Möglichkeiten. Thonet verwirklichte ein zukunftweisendes Prinzip: Form als Ergebnis industrieller Fertigungsmethoden.
Die Erfindung Thonets bestand in einem Verfahren, massive Buchenholzstäbe unter Dampfeinwirkung und Druck in geschwungene Formen biegen – ein Verfahren, das sich bestens für die Serienproduktion eignete. Neu war auch, daß die Einzelteile nicht mehr verleimt, sondern geschraubt wurden. Dadurch ließen sich die Stühle zerlegt verschicken. In eine Kiste mit einem Volumen von einem Kubikmeter passten beispielsweise 36 Stühle des Modells Nr. 14.
Die weitblickende kaufmännische Strategie und Vertriebspolitik machten das Unternehmen Thonet zu einem in seiner Zeit einzigartigen Phänomen. Nahezu jährlich erschienen umfangreiche Kataloge, Thonet exportierte in alle Welt, die Produkte waren in Herrscherhäusern ebenso zu finden wie auf den Sidewalks in New Orleans und den Veranden der Kautschukbarone in Brasilien. Bis zum Ersten Weltkrieg kamen über 1400 verschiedene Modelle auf den Markt – vom Puppenstühlchen bis zum raffinierten Ausziehtisch, vom Tennisracket bis zum Prunkbett. Trotz der Fülle an Modellen besaßen viele Möbel standardisierte Elemente; Typisierung und Serienproduktion erlaubten erschwingliche Preise. Das Konzept war überaus erfolgreich – der berühmte „Konsumsessel“ Nr. 14 wurde bis 1910 über 50 millionenmal verkauft.
Mit dem Aufkommen der Stahlrohrmöbel Ende der zwanziger Jahre ging die Vorherrschaft der Bugholzmöbel zu Ende, um kurze Zeit später in der Technik von Schicht- und Sperrholz einen neuen Aufschwung zu nehmen. Herausragende Designer von Alvar Aalto und Marcel Breuer über Charles Eames und Sori Yanagi bis zu Grete Jalk widmeten sich diesem Thema, das immer wieder zur Suche nach völlig neuen Lösungen herausforderte, wie etwa der aus einem einzigen Werkstück gebogene Sessel von Gerald Summers zeigt – Experimente, die mit den lasergeschnittenen Entwürfen von Beat Frank bis in die unmittelbare Gegenwart reichen.

Die Neue Sammlung – The Design Museum, Blick in die Präsentation „Bugholz. Schichtholz“. Foto: Rainer Viertlböck